Die Glücksforschung zeigt, dass ab einem gewissen Grad von Wohlstand die Zufriedenheit nicht weiter zunimmt. Es kann sogar befreiend sein, sich von materiellem Ballast, von zu viel Besitz zu befreien. Papst Franziskus schrieb dazu: "Die Genügsamkeit, die unbefangen und bewusst gelebt wird, ist befreiend." (Papst Franziskus, LS 223). Suffizienz lädt die/den Einzelne/n dazu ein, sich Fragen zu stellen wie: was macht mich wirklich glücklich?; Was brauche ich für ein gutes Leben?; Auf was kann ich verzichten, was kann ich teilen, was (ver)leihen?
Eine Ethik des Genug oder eine Ethik vom gelingendem Leben (Zusammenfassung des Textes von Dr. Ruth Gütter, Aktionsheft "Mehr Mut zur Gerechtigkeit", S. 9)
Die Forderung einer "Ethik des Genug" basiert auf der grundlegenden Verheißung des christlichen Glaubens von einem "Leben in Fülle" oder "volle Genüge" (Lukas 11, 10-11) für alle Menschen.
Da die Realität aber lehrt, dass längst nicht alles Menschen "genug" haben und schon gar nicht "Leben in Fülle", muss eine Ethik des Genug in zwei Richtungen ausgelegt und gelebt werden: Menschen, die nicht genug zum Leben haben müssen in die Lage versetzt werden ein Leben mit allem Lebensnotwenigen zu führen. Menschen, die mehr als genug haben müssen in die Lage versetzt werden, es genug sein zu lassen und mit anderen zu teilen.
Eine "Ethik des Genug" könnte so zu einer befreienden Vision für die Armen und Reichen werden. Es geht darum, dass alle genug zum Leben haben. "Genug" heißt für alle, die zu viel haben: Weniger ist mehr. Für die Armen gilt: Sie müssen "genug" bekommen, sodass sie gut leben können.
Eine Ethik des Genug ist also auf das Engste verbunden mit dem Gebot der Gerechtigkeit. Beides gründet in dem Glauben an den Schöpfer, der für alle seine Geschöpfe ein Leben in Fülle, in Gerechtigkeit und Frieden will.
Das Leben der Schöpfung vollzieht sich in Raum und Zeit, d.h. in von Gott gesetzten Grenzen. Eine Ethik des Genug hat auch die wichtige Aufgabe, diese Grenzen als etwas Heilsames zu achten und anzuerkennen. Denn es zeigt sich, dass unbegrenztes Wachstum die Grundlagen des Lebens mehr und mehr zerstört – des menschlichen wie auch des nichtmenschlichen Lebens.
Bei einer Ethik des Genug geht es schließlich auch um Lebensqualität. Nach christlichem Verständnis entscheidet sich dies nicht allein durch Besitz, sondern auch durch immaterielle Werte wie gelingende Beziehungen, Gemeinschaft, Solidarität, Nächstenliebe, Spiritualität, Natur, Kultur etc.